Die Frage nach dem Warum hat etwas Tückisches, da ihr Verlauf, ein Warum dem nächsten Warum folgend, einen zwangsläufig zum unüberwindbaren Anfang führt, der keiner Ursache mehr unterliegt. Im Zuge der Recherche und den vielen Gesprächen mit Wissenschaftlern wurde mir schnell klar, wie töricht es war zu meinen, bis zu diesem letzten Warum vordringen zu können.  Antworten brachten kein sauberes, lineares Zurückgehen in Zeit und Kausalität mit sich. Vielmehr war jede Antwort ein Multiplikator für Dutzende neue Fragen. Am Ende entstand ein Netz, welches an manchen Stellen verworren, an vielen lückenhaft ist und seine Form erst durch die Verbindungen der einzelnen Teile zueinander erlangt. 
So unterschiedlich und fremd zueinander manche Objekte auch zu sein scheinen, so lassen sich trotzdem Verwandtschaften erkennen, die in einer gemeinsamen Geologie und Geografie begründet sein können. Es ist die Geologie des Burgenlandes, zu der sich alle gezeigten Objekte, Bilder und Motive dieser Ausstellung in Verbindung setzen lassen. Manche dieser Verbindungen sind wissenschaftlich fundiert, andere rein assoziativ. Aus diesem Boden haben sie sich herausgerollt – evolvere, so wie zum Beispiel die ausgestellten miozänen Schneckengehäuse oder die frühbarocke Volute, die nicht nur ihre Form, sondern auch den Chemismus miteinander teilen. Einen konzentrischen Aufbau um ein Zentrum besitzen auch Eisennieren, geologisch je nach mineralogischer Zusammensetzung Goethit/Limonit-Knollen genannt. Dieser Rohstoff, den man heute im Mittelburgenland noch finden kann und der in einem Bild verarbeitet wurde, war spätestens unter römischer Herrschaft von großer Bedeutung. Von hier wurde das Eisenerz über die Bernsteinstraße Richtung Süden transportiert, wo es zum Großteil in der Rüstungsindustrie weiterverarbeitet wurde. Diese Vorkommen verloren nach einer zweiten Hochblüte im Mittelalter zunehmend an Bedeutung. Der Topos der Ost-West-Achse, der bis heute die Vorstellung von Europas Polarität prägt, kam eigentlich erst mit den Ungarn auf, als die Grenze definiert wurde, die später Cis- von Transleithanien trennen sollte. Zur Durchsetzung dieses Narratives trugen sicher auch die vielen Kriegszüge bei, welche von Osten her kommend ihren Weg immer durch das Burgenland fanden. Die von der Geografie vorgegebenen Routen Richtung Westen blieben Jahrhunderte lang die gleichen, egal, ob es sich um ein Heer von Avaren, Osmanen, Kuruzzen oder der Sowjets handelte. Durch diesen ungeschützten Raum, von Alpen und Karpaten aufgerissenen Zerrbecken, versuchte man hindurch zu stechen. Oft brachten diese Offensiven fürchterliche Verwüstungen und Entvölkerungen ganzer Landstriche mit sich. Bei der außergewöhnlich hohen Anzahl an brutalistischer Architektur eines Matthias Szauer oder Herwig Graf im Burgenland scheint es fast so, als hätten sich diese Jahrhunderte langen Erfahrungen in einem kollektiven Gedächtnis manifestiert. Ungeschützt, so wie der weiche Körper der Mollusken, welche hinter dickwandigen Kalkpanzern nach Schutz trachten. Dass dieses Trachten nach Schutz in einer sich permanent verändernden Welt oft unerfüllt bleibt, dokumentieren Stromatolithenfunde aus Ritzing. Diese erst kürzlich entdeckten Kalkgebilde, durch Kalkausfällung von Mikroben entstanden, sind Indikatoren für ein durch Abkühlung der Erde herbeigeführtes Massensterben im mittleren Miozän. Die reiche Fauna der tropisch warmen Parathetys verschwand, so wie es das Meer einige Jahrmillionen später auch getan hatte. Die Ruinen dieser Zeit, verlassene Kalkbehausungen, bildeten die Grundlage für den Werkstein, der für diese Region prägend geworden ist. Egal, welche Epoche oder Baustil Ostösterreichs man heranzieht, der helle Leithakalk war fast immer das bestimmende Baumaterial. Diese Konstanz spiegelt sich auch in der Nutzung mancher Steinbrüche, die durchgängig, spätestens seit den Römern, in Betrieb waren. Gleichzeitig findet man kultur- und religionsunabhängig immer ähnliche Formen und Rhythmen der Verarbeitung. So als gäbe es eine Teleologie des Gesteins, welche den Meißel des Bildhauers zu immer gleichen Formen führt. Natürlich sind weitere Gründe dieser Homologie auch das gemeinsame Fundament der Kulturen und Epochen sowie die durchgängige Verwendung bestimmter Topoi. Trotz alledem ist die Form des Gesteins durch dessen Struktur, Körnung und Härte determiniert. So wie das metabasische Günser Gebirge dem Kupferbergbau in dieser Region zugrunde liegt oder das Vorkommen neogener, gut verarbeitbarer Kalke die Voraussetzung dafür war, dass Generationen von Menschen Arbeit fanden, ganze Dörfer neu entstanden.
Ich befürchte, dass sich die zu Beginn getätigte Metapher des lückenhaften und verworrenen Netzes auch auf diesen Text anwenden ließe, hoffe aber, zumindest die dieser Ausstellung zugrunde liegende Idee skizziert haben zu können. Omnis cellula e cellula.
Fotos: Rudolf Strobl
"OCEC"; Burgenländische Landesgalerie, Eisenstadt;      April 26 – June 16, 2019
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